Ich irre umher.
Eilig.
Ich weiß, der Countdown läuft.
Unerbittlich.
Ticktack…ticktack…
Ich gegen die Zeit.
Es ist immer ein Wettkampf. Ich gegen die Zeit.
Irgendwie ist das schon ein altes Thema. Ich schaffe es nie pünktlich zu sein. Fast nie. Es mangelt mir nicht am Wissen, dass es wichtig ist, pünktlich zu sein, nein, es ist eher so, dass ich das Leben auskosten muss. Jede Minute, jede Sekunde ist kostbar. Gehe ich zehn Minuten zu früh los, warte ich vermutlich am vereinbarten Ort fünfzehn weitere auf den Kumpel. Was mache ich mit dieser Wartezeit? Ich verplempere sie. Zeit zerrinnt in meinen Händen wie Sand, den ich nicht halten kann. Durch alle Ritzen zwischen meinen Fingern entfleucht er mir.
Nergi Beeren kann man wesentlich besser halten als Sand und Zeit. Nicht eine Beere entgleitet durch meine Hände.
Und doch sind diese Kiwi-Beeren der Grund, weshalb ich mit halb offenenHemd, zerschlisssener Jeans und wirrem Haar durch das Halbdunkel der Nacht renne wie ein Teenager in einem schlechten amerikanischen Film, der vom Vampir angefallen wurde. Endlich bringt dieses verfluchte Jogging-Training etwas. Ich hasse es zu laufen. Dies ist kein Cardio-Körper – er ist eher so für Urlaub und Wellness gemacht. Aber heute Abend macht sich all diese Schinderei endlich bezahlt. Ich renne in Intervallstößen durch die Kleinstadt – mal langsam, mal im Sprint – eben grad immer so, wie es der Wellness-Körper zulässt. Ich ignoriere das Seitenstechen. Das kann mich mal. Davon sterbe ich nicht.
Ich habe nur eins im Kopf: Ich muss diese Nergi-Beeren finden.
Ich will ein Chutney kochen…
Ich bin besessen von dem Gedanken. Meine Schritte werden wieder schneller. Die Oberschenkel schmerzen. Morgen wird das dann richtig weh tun. Scheiß Asphalt. Ist halt kein Waldboden. Morgen werden mir meine Knie wieder bescheid geben, dass ich sehr gelenk-schonend unterwegs war.
Zwanzig Minuten noch. Ich renne weiter.
Ich kenn mich aus – in Schorndorf Downtown. Ich weiß genau, wo jeder Supermarkt ist, kenne die Gemüseabteilung wie meine Westentasche. Das will was heißen – gehe ich doch meistens auf dem Wochenmarkt einkaufen. Diese leckeren Kiwibeeren gibt´s nicht auf dem Markt. Kommen diese kleinen Leckereien doch aus dem benachbarten Frankreich.
Man kann Franzosen mögen oder nicht – Essen machen können sie: Baguette, Wein, Fisch…Nergi.
Ich biege um die Ecke und bremse ab. Staub wirbelt auf. Wäre dies ein Blog mit Soundeffekten, an dieser Stelle würde ein Reifenquitschen meiner Schuhe zu hören sein. Ein Schnürsenkel ist offen. Ein Wunder, dass ich nicht der Länge nach auf meine Futterluke gehagelt bin. Glück braucht der Mensch.
Jetzt bitte nochmal etwas Glück. Die Schiebtür des Supermarktes mit dem großen blauen E und gelben Hintergrund öffnet seine Türen. Pfffff…ich trete ein…mit dem rechten Fuß zuerst. Diese Macke habe ich mir aus China mitgebracht. Da muss man auch durch sämtliche Tempeltüren mit dem rechten Fuß als erstes durch, sonst kommen Dämonen hinter einem her…oder so.
Pffff…die Tempeltür schließt sich und ich stehe im Neonlicht des Supermarktes. Ich kneife die Augen zusammen und eile in Richtung Gemüseabteilung.
Yeeesssss…da liegen sie…endlich…vier Supermarktketten später halte ich sie in meinen Händen und eile gen Ausgang zur Kasse. Ich drücke der Verkäuferin einen Geldschein in die Hand und warte aufs Wechselgeld. Das mit dem rechten Fuß zuerst und Dämonen abschütteln hat definitiv nicht geklappt, wenn ich mir die Kassiererin so anschaue.
Ich entschuldige mich im Stillen für meine Gedanken, während sie in den Plastikeinschüben der Kasse nestelt, die sichtlich viel zu klein für Ihre Pranke sind.
Los jetzt Mann…ich muss noch kochen…wenn ich so Urlaub machen würde, wie manche arbeiten…also wirklich.
Jetzt aber los und ab nach Hause…Chutney einkochen – ein Chutney, was garantiert noch niemand gekocht hat.
Damit es Euch nicht geht wie mir, schwingt Euch gleich auf Euren Gaul und reitet in die Stadt. Die Nergi-Beeren stehen kurz vor dem Ausverkauf – kein Spaß. Viele gibt´s nicht mehr.
Ich habe noch welche bekommen und sie haben mir sogar für ein leckeres Nergi-meets-Chia-Frühstück gereicht.
Aber hier gibt´s jetzt für Euch erstmal das Chutney- Rezept – und Entschuldigung…einfacher gehts ja wohl nicht mehr…
Zutaten:
- 250g Kiwibeeren
- 1 rote Chilischote kleinschnippeln 2 Schalotten
- 250ml klarer Apfelsaft
- 400g Gelierzucker
Zubereitung:
- Saft, Gelierzucker und eine klein geschnittene Chilischote aufkochen Währenddessen Schalotten in Würfel schneiden
- Schalotten dazu geben und erneut aufkochen
- kleingeschnittene Kiwibeeren dazu geben und kurz köcheln lassen
- in Gläser abfüllen (mehrere Monate haltbar)
- Kann man zum Beispiel zu Ziegenkäse reichen